Unterwegs auf der Insel der Götter
Sri Lanka/Bentota 26.4.2013
Nach nunmehr fünf Wochen Aufenthalt in einem strahlenden Paradies, das bereits von den alten Seefahrern als „Perle im Indischen Ozean“ bezeichnet wurde, lässt sich eines mit Sicherheit sagen: ein Besuch in diesem Garten Eden voll mit kilometerlangen Sandstränden, üppigen Dschungelgebieten, weitflächigen Teeplantagen und Reisterrassen, die in sattem Grün strahlen, lohnt sich in jedem Fall. Zum landschaftlichen Reichtum mischen sich die kulturellen Schätze als Zeugen einer jahrtausendealten Geschichte. Bei aller Euphorie und Begeisterung für diese Insel möchte ich aber auch die zahlreichen schwerwiegenden Probleme, die auf dringende Lösung warten, nicht verschweigen. Und es dürfte noch Jahrzehnte dauern nach meiner Einschätzung bis man mit greifbaren Verbesserungen rechnen kann.
Nach einer knapp mehr als eine Woche dauernden Eingewöhnungs- und Entspannungsphase im südlichen Badeort Hikkaduwa setzte ich zur ersten großen Rundreise an, die weite Bereiche der Insel abdeckte. Vorbei an der Großstadt Galle, die vom Tsunami hart getroffen wurde, und neben Sri Lankas besterhaltener Altstadt aus der holländischen Zeit (17./18. Jahrhundert) auch noch das Fort als Unesco-Welterbe zu bieten hat, ging es um den südlichen Bogen in Richtung Südosten in den größten der zahlreichen Nationalparks, den Yala Nationalpark. Bei dieser Anfahrt kam auch erstmals klar eines der großen Probleme des Landes zu Tage, der zügellose überbordende Verkehr auf meist wenig leistungsfähigen Straßen. Da kommt es dann schon vor, dass man für rund 100 km Strecke mehrere Stunden brauchen kann. Das macht bei Temperaturen zwischen deutlich über 30 und knapp unter 40 Grad auch mit Klimakühlung im Wagen wenig Spaß. Der große Park ist geprägt von Dornbuschsavanne, vielen Seen und Brackwasser. Schon ein paar Kilometer vor der Einfahrt in das Reservat wartete der Ranger mit seinem Jeep und brachte uns über wahre Buckelpisten zu den besten Plätzen. Es gab Krokodile, Warane, Wildschweine und natürlich Elefanten zu sehen. Herrlich, einem Jungtier mit seiner Mutter beim Baden zuzusehen. Einzig der Leopard verbarg sich erfolgreich im weiten Dickicht. Auch Pfaue, Pelikane, Störche, Adler und eine Vielzahl farbenfroher Kleinvögel, darunter der oft ganz nah zu sehende Bienenfresser, zeigten sich häufig. Ein Gedenkstein in Küstennähe erinnerte an rund 50 Opfer der Tsunami-Katastrophe. Während die Tiere rechtzeitig ins Landesinnere geflohen waren und überlebten, ist uns Menschen dieser Instinkt leider weitgehend verloren gegangen. Der Besuch einer Ananasfarm war ein weiterer kleiner Höhepunkt, den ich nicht vergessen werde. Hier wurden uns ganz frische Ananas gereicht, die köstlich schmeckten, kein Vergleich zu den Angeboten bei uns in Österreich. Weiter ging es nach längerer Fahrt nach Pinnawala ins Waisenhaus der Elefanten. Auf diesem Areal werden Jungtiere aufgezogen, die angeblich den Kontakt zu ihren Muttertieren verloren haben. Auch verletzte Tiere z.B. durch Tretmienen während des Krieges werden betreut. Es ist schon berührend, wenn so ein tonnenschwerer Koloss nur auf drei Beinen stehen kann und auf seitliche Abstützungen wie Baumstämme oder schwere Zaungatter angewiesen ist. Höhepunkte sind das Bad der Elefanten im nahen Oyafluss, wo sie vorher gesammelt und dann richtig hingetrieben werden, und das Füttern der Kleintiere mit der Babyflasche. Ein absolutes Highlight unter all diesen Höhepunkten war für mich der Aufstieg auf den Sigiriya-Felsen. Es handelt sich um einen rotbraunen gewaltigen Monolith, der weithin sichtbar aus der Ebene rund 200 m aufragt und auf dem sich die Ruinen einer historischen Felsenfestung befinden. Der Felsen ist ein weltberühmtes Symbol ceylonesischer Hochkultur und wurde im Jahr 1982 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Der Name bedeutet Löwenfelsen. 473 n. Chr. wurde König Dhatusena (455 bis 473 n. Chr.) von Anuradhapura von seinem Sohn Kassapa umgebracht, der von einer seiner Nebenfrauen geboren war und sich so die Thronfolge sicherte. Kassapa I. (473 bis 491 n. Chr.) ließ aus Angst vor seinem Halbbruder Moggallana, der der rechtmäßige Thronfolger war, die Festung errichten. 491 kehrte Moggallana mit einer Armee aus dem südindischen Exil zurück und besiegte Kassapa, woraufhin er König wurde (491 bis 508) und Anuradhapura wieder zur Hauptstadt machte. (Quelle: Wikipedia „Sigiriya“) Vom Gipfelplateau aus bietet sich ein großartiger Rundblick. In mehreren Zisternen wurde Regenwasser gesammelt, um auch für den Fall einer längeren Belagerung ausreichende Trinkwasservorräte zur Verfügung zu haben. Um den Felsen herum befand sich die von einem Wassergraben umgebene Stadt. Die mittlerweile restaurierten Lustgärten beherbergen Überreste von Springbrunnen, Pavillons und einer Klosteranlage. Etwa auf halber Höhe wurden unter einem Felsüberhang Fresken von meistens barbusigen Frauen (Wolkenmädchen) angefertigt, die heute über eine stählerne Wendeltreppe zugänglich sind. Von diesen wunderschönen Wolkenmädchen mit bloßem Oberkörper und mit Blüten und Früchten in den Händen dargestellt geht eine gewisse Faszination aus. Nach so vielem Reisen und anstrengenden Besichtigungen waren ein paar wenige Tage Entspannung und Erholung vonnöten. Dazu steuerten wir die noch trockenere und heißere Ostküste um den Hauptort Trincomalee an. Hier leben auch viele Tamilen und so war der Ort in den Zeiten des Krieges oft heftig umkämpft. Rund 15 km weiter nördlich verläuft der schönste Strand der Ostküste. Und genau an diesem traumhaften Platz im kleinen Örtchen Nilaveli bezogen wir Quartier. Trotzdem war die Zufriedenheit aber nicht grenzenlos. So schön viele Strände und Kulturdenkmäler sein mögen, so elend sind manchmal die Zustände in einigen Hotels. Hier zahlt man anfangs ein wenig Lehrgeld, bis man verstanden hat, wie die Sri Lanker wirklich ticken. Denn eines verstehen sie bei allen sonstigen Mängeln ganz ausgezeichnet, nämlich einem das Geld aus der Tasche zu ziehen. Dazu kommt noch die Umweltverschmutzung durch Müll und Unrat oft an den schönsten Stellen. Da stehen sie bewusstseinsmäßig noch ganz am Anfang. Sie können derzeit nicht erkennen, in welch Paradies sie eigentlich leben. Wir waren also im Tamilenland angekommen und das war für mich auch zu merken. Die Stimmung und das Wesen der Menschen hier waren ein wenig dünkler und zwiespältiger als jenes der Singhalesen. Das ist mein persönlicher Eindruck gewesen, der sich allerdings später, wieder zurück im mehrheitlich von Singhalesen bewohntem Gebiet, bestätigt hat, wenn ich vereinzelt auf Tamilen getroffen bin. Davon unbeirrt genoss ich die herrlichen Strände und auch ein Bootsausflug in den kleinen Pigeon Island National Park, einer Miniinsel ein paar wenige Kilometer vor der Küste, erfreute mein Herz. Die schmutzige Kleinstadt Trincomalee selbst bietet wenig, wenn da nicht der Swami Rock mit dem Hinduheiligtum Koneswaram wäre, der sich 130 m aus dem Meer erhebt. Der Haupttempel ist Shiva geweiht und mehrmals täglich finden bunte Zeremonien statt, die auch ein nicht Religionskundiger sofort von den buddhistischen Zeremonien unterscheiden kann. Für mich war das alles ein farbenfrohes Spektakel, das ich in die Kategorie „Show“ einreihen würde. Die große ideenreiche Anlage hat bei mir aus ästhetischen und architektonischen Gründen Eindruck hinterlassen. Die Rundreise ging jedoch bald zum nächsten absoluten Highlight weiter, dem Golden Temple in Dambulla. Der für seine Höhlen und die angeblich größte Buddha-Statue der Welt berühmte Tempel wird auch heute noch von Mönchen bewohnt. In ungefähr 340 m Höhe vor dem Eingang zu den Höhlen bietet sich ein herrlicher Weit- und Rundblick in das umliegende Tropenland. In den fünf von Mönchen über einen Zeitraum von 2000 Jahren mit Malereien und Statuen ausgestatteten Höhlen erhält man einen tiefen Eindruck über den buddhistischen „way of live“ wie manche Sri Lanker ihre Religion auch nennen. Es gibt hier so viel zu sehen, dass es in der kurzen Zeit gar nicht möglich war, alles aufzunehmen. Nach einem kurzen Besuch in einem Gewürz- und Kräutergarten, von denen es in Sri Lanka eine große Anzahl gibt, ging die Reise weiter nach Kandy, der letzten Königsstadt der Singhalesen, die auf fünf Hügeln angelegt ist. Auch Kandy ist seit dem Jahr 1988 kulturelles Weltkulturerbe und angeblich die schönste Stadt der Insel. Die Stadt beherbergt den weltberühmten Zahntempel, das meistverehrte Heiligtum der buddhistischen Singhalesen. In diesem Tempel befindet sich das kostbarste Heiligtum des Landes, ein Eckzahn Buddhas, der den Singhalesen auch als Symbol ihrer Macht gilt. Von außen eher unauffällig, entfaltet der Tempel im Inneren seine volle Pracht. Die vielen Fresken und Bilder mit den gleichnishaften Texten haben mich sehr beeindruckt. Ein lohnenswerter Besuch, obwohl ich mit der blinden Verehrung einer Reliquie sonst wenig anzufangen wusste. Am Abend stand ein Besuch einer traditionellen einheimischen Tanzvorführung auf dem Programm. Die „Kandy Lake Club“ Tanzgruppe bot zwölf farbenprächtige Tänze, Orchester- und Showeinlagen dar, die ihren Abschluss in einem Feuerlauf fanden. In Peradeniya, einem Vorort von Kandy, wo sich auch die größte Universität des Landes befindet, liegt der Royal Botanic Garden. Dieser weitläufige botanische Garten aus britischer Kolonialzeit bietet eine große Vielzahl von in Asien beheimateten Pflanzen. Mir besonders aufgefallen ist der Riesenbambus aus Burma, der über 40 m hoch werden kann, mehr als 25 cm Durchmesser erreicht und bei dem die jungen Triebe pro Tag mehr als 30 cm wachsen können. Wer die Natur liebt, wird sich in dieser wunderschönen Anlage, voll mit Palmenalleen, riesigen Bäumen und auch blühenden Pflanzen sofort wohlfühlen. Ich konnte mich gar nicht lange genug darin aufhalten. Sri Lanka ist auch für seine Schmuck- und Edelsteine bekannt, insbesondere für den Mondstein, der seinen Namen durch sein Schimmern, das an das Mondlicht erinnert, erhalten hat. Hier liegen die weltbedeutendsten Lagerstätten dieses Minerals. Ein Besuch in einer Schmuckwerkstätte demonstrierte uns, wie die verschiedenen Steine gewonnen und bearbeitet werden. Endlich ging es nun zu den weltbekannten Teeplantagen rund um Nuwara Eliya, von denen ich schon so oft gehört, die ich aber noch nie gesehen hatte. Auch wenn die Verkehrswege in dieser Region meist sehr mühsam und langsam sind, lohnt sich die Anreise zu den scheinbar endlosen Anbaugebieten des berühmten Ceylon-Tees in jedem Fall. Weite strahlend grüne Flächen mustergültig angelegt ziehen sich über Berg und Tal und werden von den Teepflückerinnen ständig abgeerntet. Diese Arbeit hat jedoch mit Romantik wenig zu tun. Zarte Frauenhände ernten die jungen Triebe unablässig nach einem exakten Bezahlsystem, das nur wenig Spielraum lässt. Die Ernte wird exakt gewogen, der Lohn und die Unterkünfte für die Pflückerinnen sind meist schlecht. Bleibt man stehen und fotografiert die Frauen, strecken sich die müden, dünnen Hände sofort nach einem Trinkgeld aus. Da bekommen sie vermutlich teilweise von den Touristen mehr zugesteckt, als sie in mehreren Stunden verdienen können. Manche gehen beim Kampf ums Trinkgeld auch recht aggressiv vor. Man merkt und sieht hier sofort, wie diese Frauen die Welt wahrnehmen. Es ist noch ein weiter Weg zu gehen. Auf der Anfahrt besuchten wir auch das Ramboda Blue Field Tea Centre. Eine zarte Führerin erklärte uns in dieser Teefabrik wie es von der Ernte in einzelnen Schritten zum genussfertigen Tee kommt. Es dauerte schließlich noch Stunden an anstrengender Fahrt bis wir das riesige Teeanbaugebiet in Richtung unseres nächsten Highlights verlassen hatten. Die landschaftlichen Eindrücke werde ich aber wohl nie wieder vergessen. Den kräfteraubendsten Ausflug hatten wir uns für den letzten Tag der Rundreise vorgenommen, es ging auf den mehr als 2200 m hohen Adams Peak. Der Adams Peak ist zwar nicht der höchste aber der bei weitem heiligste Berg Sri Lankas. Am Gipfel wird eine Vertiefung im Felsen verehrt, die wie ein Fußabdruck aussieht. Für die Buddhisten ist es ein Fußabdruck des Erleuchteten, für die Hindus ein Zeichen Shivas, für Muslime und Christen eine Erinnerung an Adam. Nacht für Nacht nehmen vornehmlich innerhalb der Saison zwischen Dezember und März hunderte Pilger den mühevollen Aufstieg über einige tausend Stufen auf sich, um bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu sein. Vom Reiseführer auf eine Aufstiegszeit von 3 bis 4 Stunden vorbereitet, sind wir viel zu früh losgestartet und waren - selbst sehr überrascht - nach 2 Stunden schon um 4 Uhr Früh am Gipfel angelangt. Oben war es zwar nicht kalt, aber dennoch etwas kühl, da wir bis Sonnenaufgang ausharren mussten. Ich presste mich in eine Nische einer Art Wartehalle unter dem Heiligsten auf den schmutzigen Boden und beobachtete die Menschen. Diese wiederum fanden an meiner Person gefallen und schauten mich ständig an, war ich doch als Europäer eine gewisse Ausnahme in dieser grindigen Halle. Die Leute lagen kreuz und quer, manche schliefen, andere schnarchten laut und wieder andere unterhielten sich angeregt. Ein buntes Durcheinander eifriger Pilger, die wohl eine Verbesserung in ihrem Leben erhofften mit dieser strapaziösen Tat. Da waren auch alte Frauen und Männer dabei, bei denen ich mich fragte, wie diese da je auf den Gipfel gekommen waren. Und vor dem Abstieg graute auch mir schon, eine Belastung für Gelenke und Muskeln. Schließlich wurde es langsam hell und Bewegung kam auf. Nun war es möglich, den „heiligen“ Fußabdruck, der in einer Art Schrein ganz oben auf der Anlage eingefasst war, kurz zu passieren und ihm seine Ehre zu erweisen. Fotografieren war ausnahmsweise einmal nicht erlaubt. Danach fand eine kurze Zeremonie statt, deren Inhalt sich mir nicht erschloss. Wie in allen Tempeln musste man auch hier die Schuhe ausziehen, was ob des kühlen Bodens nicht gerade angenehm war. Was Menschen auf sich nehmen, um angeblich im Leben weiter zu kommen, wäre schon eine eigene Doktorarbeit wert. Leider war es etwas bewölkt, sodass kein lupenreiner Sonnenaufgang zu sehen war. Ein tolles Erlebnis war es dennoch. Beim Abstieg kam es anfangs zu einem richtigen Stau auf den steilen engen Stufen. Für mich ein Wunder, dass da wieder alle heil hinunterkommen. Unser Abstieg dauerte nur unwesentlich kürzer als der Aufstieg. Die nächsten Tage spürte ich vor allem meine Wadenmuskeln und auch die Kniegelenke waren nicht gerade entspannt von dieser Tour. Aber immerhin kann ich nun von mir behaupten, auf dem Gipfel des heiligsten Berges der Insel gestanden zu sein! |